3 Gründe für einen ungewöhnlichen Perspektivwechsel beim Tandemflug mit dem Gleitschirm – hier nachzulesen im zweiten Teil.
All die Möglichkeiten des umfassenden Perspektivwechsels bietet ein Flug mit dem Gleitschirm, wie ich ihn vor Kurzem unter idealer Begleitung meines Tandempiloten Joachim von Himmelsritt Gleitschirm Tandemflüge erleben durfte.
In Bezug zu den im ersten Teil umschriebenen angeborenen Persönlichkeits- und Wesensmerkmalen sowie den daraus resultierenden typischen Verhaltensweisen hochsensibler und hochbegabter Menschen führe ich hier 3 „gute“ Gründe an, warum ein Gleitschirm-Tandemflug ein sinnvolles, begleitendes Instrument für ihre Persönlichkeitsentwicklung darstellen kann.
1. Gleitschirmfliegen als Möglichkeit des fokussierten Perspektivwechsels
Das Gleitschirmfliegen gehört zu den sichersten Flugsportarten und ist von Anfang an durchschaubar, berechenbar und planbar in seinem Ablauf – nichts wird dem Zufall überlassen. Bereits die Festlegung des Starttermins erfolgt unter genauster Wetterbeobachtung „tagesaktuell“. Erst wenn die meteorologischen Voraussetzungen ideal sind (u. a. die Thermik betreffend), wird seitens des Tandemflug-Anbieters grünes Licht für den Start gegeben. Ich selbst habe wegen längerer Tiefdrucklage (also tagelangem Regenwetter) einige Tage gerne auf die idealen Bedingungen gewartet und nutzte die Wartezeit für die mentale Vorbereitung.
Die Überforderung durch Perspektivenvielfalt ist im Rahmen dieses Erlebnisses hinfällig, da es nur „einen Weg“ mit genau definierten Einzelschritten vom Erreichen des Startplatzes über den Vorgang des Abhebens bis zur Landung gibt. Der konkrete Ablauf lässt sich abseits unvorhergesehener Ereignisse geistig fokussiert immer wieder durchspielen – das schafft gedankliche Sicherheit und Vertrauen.
2. Gleitschirmfliegen als Möglichkeit, die Grenzen der eigenen Kontrollmechanismen zu verschieben und Verbindlichkeiten einzugehen
Gerade auch im Hinblick auf den Tandempartner/den Gleitschirmpiloten ist es wichtig, Teile des eigenen Kontrollbedürfnisses vertrauensvoll in seine Begleitung abgeben zu können. Das wirkt sich zum einen nachhaltig auf ein vertrauensvolles Verhältnis zum allgemeinen sozialen Umfeld aus sowie auch auf das eigene Selbstvertrauen, die Entscheidung zum Flugantritt inklusive partielle „Kontrollabgabe“ bewusst getroffen zu haben – das sorgt für die Möglichkeit, gedanklich ein Stück „loslassen“ zu können.
Vor dem Flug fiel bereits die Entscheidung, sich auf dieses Wagnis einzulassen und die Verbindlichkeit bis zum vereinbarten Termin „auszuhalten“. Somit hat bereits die Planung im Vorfeld einen positiven Effekt auf die Selbstwirksamkeit hochsensitiver Menschen.
3. Gleitschirmfliegen als Möglichkeit, die eigene Komfortzone zu verlassen, um „aus dem Flow heraus“ eine Neubewertung des Selbstbilds vorzunehmen
Das Gefühl von gelingender Selbstwirksamkeit und Performanz in „akuter“ und intensiver Dosis stellt sich bereits im Vorfeld durch die Planung und Vorbereitung dieses Vorhabens ein, aber vor allem und insbesondere natürlich während des Gleitschirmflugs: Die Fähigkeit zur Performanz wird innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens erfahrbar gemacht, der „Flow“-Zustand wird erreicht.
Mit allen Sinnen wahrnehmen
Nicht zu vergessen bei all den positiv-bestärkenden psychologischen Effekten auf die hochsensible Wesensart ist deren Verknüpfung mit dem Gleitschirmfliegen als Erlebnis „mit allen Sinnen“ – denn nach Mihaly Csikszentmihalyi, Autor des Buches „Flow - Das Geheimnis des Glücks“,
„besteht der erste Schritt zur Verbesserung der Lebensqualität darin, die Beherrschung des Körpers und seiner Sinne zu erlernen“ (Csikszentmihalyi 2019: 153).
Gerade hochsensitive Menschen sind ständig auf der Suche nach dem idealen Gleichgewicht hinsichtlich ihres übererregbaren Nervensystems und erhalten während eines Gleitschirmfluges die ideale Portion an äußerer Reizeinwirkung auf der einen und Gelassenheit fördernder Konzentration auf der anderen Seite.
Stellt das Erlebnis selbst bis zum tatsächlichen Abheben durchaus einen Anlass für ein gewisses Maß an innerer Aufregung bzw. Angespanntheit dar (die gemäß unserer körperlichen und geistigen Funktionen als natürlich einzustufen sind), gelangt man auf Flughöhe in den Zustand des reinen Genießens.
So wird vor allem visuell ein neuer Blickwinkel geboten: der berühmte Blick „von oben“, der eine distanzierte Betrachtung bisheriger Denk- und Lebensmuster ermöglicht. Sensorisch wird das Gefühl eines „Schwebezustands“ erreicht, der Auslöser für ein neues, bewusstes Körpergefühl sein kann. Ebenso wird durch die unmittelbare Berührung mit dem Element Luft und der angenehmen Portion „Flugwind“ ein authentischer Kontakt mit der Natur ermöglicht und sinnlich erfahrbar gemacht: Es ist ein ganz besonderes Gefühl, den Wind in luftigen Höhen in Gesicht und Nase zu spüren!
Insgesamt bietet der Perspektivwechsel mit dem Gleitschirm ein ganzheitliches Erlebnis, das in seiner langanhaltenden Nachwirkung immer wieder Effekte auf unsere Selbstwahrnehmung und unsere Fähigkeit zur Performanz ausübt:
„Doch wenn man die Kontrolle über das gewinnt, was der Körper vermag, und lernt, körperliche Gefühle zu ordnen, weicht die Entropie* einem Gefühl erfreulicher Harmonie im Bewusstsein.“
Nichts könnte einen wirkungsvolleren Effekt auf die Selbstwirksamkeit hochsensitiver und hochbegabter Menschen und ihr Selbstbewusstsein haben.
* Entropie kurz erklärt: Begriff aus der Physik, passend zum Gleitschirmfliegen dem Gebiet der Thermodynamik entspringend, der hier in diesem Zusammenhang nach Csikszentmihalyi die „Unordnung“ im inneren menschlichen „System“ bzw. Bewusstsein bezeichnet (auch: „Desorganisation des Selbst“ (Csikszentmihalyi 2019: 70)).
Quellen:
- Csikszentmihalyi, Mihaly (2019): "Flow - Das Geheimnis des Glücks". Stuttgart: Klett-Cota.
- Trappmann-Korr, Birgit (2011): "Hochsensitiv: Einfach anders und trotzdem ganz normal. Leben zwischen Hochbegabung und Reizüberflutung". Kirchzarten: VAK.
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